Müssen wir wirklich Verständnis zeigen, wenn die Erinnerung an das Grauen von Auschwitz oder Bergen-Belsen instrumentalisiert wird, um innenpolitisch Patrioten und missliebige Parteien in infamer Weise an den Pranger zu stellen? Wie viel Verständnis aber sollen die Deutschen mit der Art und Weise haben, wie des Geschehens vor 75 Jahren im eigenen Land oder im Ausland von politischen  Repräsentanten gedacht wird? Müssen wir es erdulden, dass der amtierende Bundespräsident bei der Gedenkfeier in Israel nicht deutsch spricht, weil er die Muttersprache auch so vieler jüdischer Geistesgrößen als vermeintliche „Sprache der Täter“ den Versammelten nicht glaubt zumuten zu dürfen?  Wollen wir tatsächlich in diesem Jahr nicht auch der unzähligen deutschen Opfer in diesem fürchterlichen  Jahr 1945 mit Würde und Trauer gedenken?

Es gibt wirklich akzeptable Gründe, in diesen Tagen und Monaten nicht mit öffentlichen Veranstaltungen und höchsten Repräsentanten an die 1945 in keiner Weise mehr kriegsentscheidenden Zerstörungen wunderbarer Städte wie Dresden, Würzburg oder vielen anderen ohne Zorn, aber mit Liebe und Wehmut zu erinnern? Was soll falsch sein daran, noch einmal all die zu ehren, die in diesen Städten verbrannten und erschlagen wurden? Die auf der Flucht elendiglich in der eiskalten Ostsee ertranken? Oder an die verhungerten deutschen Kriegsgefangenen auf den Rheinwiesen. An die Menschen, die damals vertrieben oder die Frauen, die geschändet wurden? Wie wollen wir uns Deutsche als Kulturnation, ja überhaupt als Nation bezeichnen, wenn wir uns nicht auch an diejenigen mit Ehrfurcht erinnern dürfen oder wollen, die das Unglück der früheren Geburt hatten? Schulden wir ihnen wirklich nichts, außer kalter Distanz oder später Selbstgerechtigkeit  der Nachgeborenen, die nur Schuld erkennen wollen, wo es doch für Millionen Deutsche damals eine Tragödie schlimmsten Ausmaßes war? Wie können wir Frieden mit uns selbst finden, wenn wir es nicht endlich schaffen, mit Trauer und Demut der Opfer des Naziwahns zu gedenken ohne diejenigen Frauen, Männer und Kinder zu vergessen, die als Deutsche vor 75 Jahren noch 1945 in so großer Zahl ihr Leben, Heimat und Eigentum verloren?

Wer für Demokratie streitet, braucht nicht gegen Faschismus zu kämpfen, bzw. wer gegen Faschismus kämpft, hat noch lange nicht Demokratie im Sinn.